Von Fremden zu Freundinnen - Austauschpartnerinnen sind seit 1993 unzertrennlich
32 Jahre ist es her, dass sich Christine Spitzenberg und Alex Marty das erste Mal gesehen haben. Die eine lebte in Seligenstadt, die andere in Triel-sur-Seine. Über den Schüleraustausch war Spitzenberg zu Gast bei Familie Marty in der französischen Partnerstadt. „Ich habe damals drei Tage durchgeweint“, erinnert sie sich.

Christine Spitzenberg (l.) und Alex Marty PHK/FOTO: LAURA OEHL
Für die damals 13-Jährige war es das erste Mal, dass sie ohne ihre Eltern im Ausland war, Französisch sprechen konnte sie noch nicht. Alex Marty hatte zwar schon knapp eineinhalb Jahre Deutsch gelernt, doch die Verständigung lief recht holprig.
Zusammen groß geworden
„Ich kann mich noch erinnern, dass Alex‘ Eltern uns irgendwann ganz viel ‚Super Mario‘ haben spielen lassen“, erzählt Christine Spitzenberg von ihren ersten Erfahrungen in Frankreich. „Das hat mich abgelenkt.“ Und an ein weiteres gemeinsames Erlebnis erinnern sich die beiden noch gut: Denn unter anderem wegen ihres Interesses an Pferden hatte man die beiden jungen Mädchen zu Austauschpartnerinnen gemacht. So nahm Marty ihre neue Mitbewohnerin auf Zeit mit zum Reitverein, wo Spitzenberg auch aufs Pferd durfte. So blieb der Austausch – so klingt es heute – am Ende doch in guter Erinnerung.
Dreimal besuchten sich die beiden über die Schule gegenseitig. An den Unterricht, sagt Alex Marty, könne sie sich gar nicht mehr erinnern. Eher an die Pausenbrote, die Spitzenbergs Mutter den beiden täglich geschmiert hatte. Genauso wie an die freien Nachmittage, an denen sich beide mit Freunden trafen, ins Schwimmbad gingen. „In Frankreich ist die Schule immer erst spät am Nachmittag aus. Danach hat man nicht mehr viel Freizeit“, erzählt Alex Marty. „Für mich war das hier das Paradies.“
Über die Jahre werden die beiden Schülerinnen zusammen groß. Auch nach der Zeit des Austauschs besuchen sie sich weiterhin. Als Spitzenberg später als Betreuerin jährlich nach Triel zurückkehrt, wohnt sie bei Familie Marty – auch, als Alex bereits ausgezogen ist. „Vor Kurzem war ich für den EFS (Europäischer Freundeskreis Seligenstadt; Anm. d. Red.) in Triel, um über die Schüleraustausche zu sprechen. Da habe ich wieder im alten Kinderzimmer übernachtet“, erzählt Christine Spitzenberg. „Das sind meine französischen Eltern.“
Als Marty mit 25 Jahren ins Elsass zieht, kommt sie noch häufiger zu Besuch nach Seligenstadt. 2017, kurz bevor sie auf Weltreise geht, ist sie noch einmal für ein Wochenende dort – genau zu dem Zeitpunkt, als der EFS sein 40-jähriges Bestehen feiert. In der Generalversammlung wird unter anderem Roman Rückert als langjähriges Mitglied geehrt. „Als Vorsitzende war ich an dem Tag sehr eingespannt“, erzählt Christine Spitzenberg. „Ich wusste, dass Roman Französisch spricht, also habe ich Alex einfach an seinem Tisch geparkt.“ Auch Alex Marty ist die Begegnung in Erinnerung geblieben: „Ich konnte nicht mehr weg, weil er nicht aufgehört hat, zu reden“, sagt sie und lacht.
Doch der Seligenstädter scheint Eindruck auf die junge Französin gemacht zu haben. Ein paar Monate später kehrt Marty für eine kurze Pause von ihrer Weltreise nach Europa zurück – und stattet auch Roman Rückert einen Besuch ab. „Das war im Mai. Im September bin ich zu ihm nach Seligenstadt gezogen.“ Bis heute sind die beiden ein Paar.
Von Triel nach Seligenstadt
Dass sie einmal beide in Seligenstadt wohnen würden, damit hatten Christine Spitzenberg und Alex Marty wohl nicht gerechnet. Der Anfang, sagt Marty, sei für sie nicht leicht gewesen. „Ich habe damals viel geweint. Ich habe nichts verstanden, habe außer Christine und Roman niemanden gekannt.“ Ihren Job als Juristin hatte sie bereits vor ihrer Weltreise aufgegeben. In Seligenstadt folgte also ein kompletter Neuanfang. Mittlerweile hat sich die 44-Jährige eingelebt. Heimweh nach Frankreich habe sie aber trotzdem noch. „Ich habe Seligenstadt immer gemocht, aber es war ja nie mein Traum, in Deutschland zu leben.“
Obwohl die beiden in unterschiedlichen Freundeskreisen unterwegs sind, halten Christine Spitzenberg und Alex Marty bis heute Kontakt. „Wir wissen immer, was bei der anderen los ist“, sagt Spitzenberg. „Wir hängen zwar nicht ständig aufeinander, aber wir sind mittlerweile eigentlich wie Schwestern.“ Erst vor Kurzem, erzählen die beiden, seien sie auch wieder zusammen Reiten gewesen – diese Verbindung ist geblieben. Und Marty ist sich sicher: „Wir werden bis zum Ende unseres Lebens verbunden sein.“
LAURA OEHL
Quelle: Samstag, 26. April 2025, Offenbach-Post / Seligenstadt/Hainburg/Mainhausen