RANDNOTIZ: Sehnsucht nach den Freunden
VON MICHAEL HOFMANN
Die Produktion der aktuellen Ausgabe war bereits abgeschlossen, als das Telefon klingelte. Einem ersten, irritierten Blick zum Display folgte ein zweiter ungläubiger - auf eine ellenlange Zahlenfolge. Wir erinnern uns an die Spezifikation E.164, die die Länge von Rufnummern im internationalen Verkehr auf höchstens 15 Ziffern, einschließlich Ländercode, begrenzt.
Voll ausgeschöpft, die Zahlenfolge, denken wir, heben neugierig den Hörer ab - und sind erstaunt. „Was ist nur mit Seligenstadt los? Wir geht es all den Freunden? Ich habe schon seit vielen Wochen kein Heimatblatt mehr erhalten. Da musste ich einfach mal anrufen“, so die wohlbekannte Stimme von Nicole Jusserand, Herz und Motor der Amitié Européenne (AET) in der französischen Partnerstadt Triel. Frau Jusserand, die hervorragend deutsch spricht und uns lebhaft vom umjubelten Löffeltrunk im vergangenen Sommer auf dem Marktplatz in Erinnerung ist, bezieht die Ausgabe regelmäßig mit etwas Zeitverzug. Das lange Ausbleiben des Blattes zuletzt konnte sie sich nicht erklären. Anfangs waren die Trieler mit anderen und auch wichtigeren Fragen beschäftigt, aber dann wurde in Hause Jusserand doch der Seligenstädter Wochenüberblick vermisst. Auch sei sie durchaus besorgt gewesen, sagt sie. Wir schildern die Lage und können sie beruhigen. Die Antwort, dass ihre Informationsquelle aus der geliebten Partnerstadt nach einer Corona-Zwangspause seit wenigen Tagen wieder erscheine, erfreute sie merklich. Auf die Frage, ob es ihr denn gut gehe, sagt sie ja. Sie habe allerdings, weil sie altersbedingt zu einer Risikogruppe gehört, ihr Haus seit Mitte März nicht verlassen. Nicht einmal einkaufen gehe sie aus Vorsicht. Das übernehmen Familienmitglieder für sie.
Quelle: Offenbach Post 18.05.2020