Mitteilungen Piedimonte

    War Goethe in Piedimonte Matese?

    „Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn“

    Seit Jahrhunderten ist Italien für viele Deutsche ein Land der Sehnsucht. Maler und Bildhauer wurden von den antiken Bauten und Skulpturen oder Künstlern wie Michelangelo, da Vinci und Raffael inspiriert, Komponisten suchten neue Anregungen und Erfolg, Dichter, Denker und Schriftsteller ließen sich von Lebensart, Kunst und Landschaft beflügeln.

    JGS

    Johann Gottfried Seume, Kreidezeichnung von Gerhard von Kügelgen

    Im 18. und 19. Jahrhundert schickten Wohlhabende ihre Söhne und Töchter auf „Bildungsreise“ in das Land der Römer. Italien - das war für viele die Wiege unserer Kultur. Und so machten sich auch zahlreiche deutsche Kunst- und Kulturschaffende auf den damals noch sehr beschwerlichen Weg über die Alpen. Zu ihnen gehörte Johann Wolfgang von Goethe, der am 3. September 1786 in Weimar aufbrach, bis nach Sizilien kam und insgesamt fast zwei Jahre in Italien verbrachte.

    Über Venedig und Florenz erreichte er am 29. Oktober Rom. Hier interessierte er sich zunächst vor allem für die erhaltenen Bauten des Altertums: Arenen, Tempel, Basiliken, das Pantheon, die Aquädukte und Kunstobjekte. Er schrieb und zeichnete und gewann Gefallen am römischen Leben. Er schloss nicht nur die Bekanntschaft mit Einheimischen, sondern er lernte auch manche deutschen Künstler und Wissenschaftler kennen, die es nach Italien gezogen hatte. Zu ihnen gehörte der Maler Johann Heinrich Wilhelm Tischbein, der seit 1783 in Rom lebte. Mit ihm verließ Goethe am 22. Februar 1787 die Ewige Stadt in Richtung Neapel. Bekannt ist Tischbeins Gemälde „Goethe in der Campagna“, das im Frankfurter Städel Museum hängt.

    Aus Goethes Tagebuchaufzeichnungen entstand zwischen 1813 und 1817 sein Reisebericht „Italienische Reise“. Wir lesen darin, dass er am 24. Februar 1787 von Fondi aus über Itri, Formia und Roccamonfina „vorbeigefahren am Monti del Matese“ ist und in St. Agata übernachtete. Dass er auch durch die heutige Seligenstädter Partnerstadt Piedimonte Matese kam, ist eher unwahrscheinlich, aber immerhin sah er wohl den „Hausberg“ des Städtchens, den 2.060 m hohen Monte Miletto. Am 25. Februar erreichte er dann Neapel, wo er bis Ende März wohnte. Goethe schreibt weiter, dass er am 28. Februar den Maler Jakob Philipp Hackert besuchte, der „in einem Flügel des Palastes Francavilla wohnt“. Über Hackert und dessen Aufenthalte in Piedimonte Matese und Umgebung zum Zwecke des Malens haben wir vor einigen Wochen in dieser Zeitung berichtet. Goethe brach am 29. März 1787 in Richtung Sizilien auf, traf auf der Rückreise am 14. Mai wieder in Neapel ein, wo er nochmals fast 3 Wochen blieb, um dann auf einer weitgehend gleichen Route über Rom - erfüllt von Eindrücken und Erlebnissen und versehen mit seinen Notizen und zahlreichen Zeichnungen - nach Deutschland zurückzukehren.

    Auch den Dichter Johann Gottfried Seume (1763 – 1810) zog es nach Italien. Seine legendäre Wanderung „Spaziergang nach Syrakus“ begann er am 6. Dezember 1801. Er erreichte Rom und setzte seinen Weg über Formio, Sessa, Capua, Caserta und Partenope nach Neapel fort. Das Matese-Gebirge hat er mit Sicherheit gesehen; Piedimonte Matese liegt höchstens 30 km von seiner Route entfernt. Am 1. April erreichte Seume die sizilianische Stadt Syrakus und im August 1802 war er wieder zuhause - fast die gesamte Strecke von 6.000 km legte er auf Schusters Rappen zurück. Der Bericht seiner Wanderung wurde zum Vorbild für Generationen kritischer Touristen.

    Ein weiterer bekannter deutscher Dichter - August Graf von Platen (1796 – 1835) - nahm ebenfalls den Weg nach Syrakus. Von ihm stammt das Gedicht „Nächtlich am Busento lispeln …“, das vor einigen Jahrzehnten noch viele Pennäler auswendig gelernt haben. Es umschreibt den Tod des Gotenkönigs Alarich im Fluss Busento. Ab 1826 lebte er die meiste Zeit in Italien, dichtete, forschte und schrieb. Über seine Reisewege war nicht viel in Erfahrung zu bringen, aber er verbrachte einige Jahre in Rom und insbesondere in Neapel. 1835 floh er wegen der dort ausgebrochenen Cholera nach Palermo und Syrakus, wo er im gleichen Jahr verstarb und beigesetzt wurde. Es ist lohnend, sich mit den Lebensläufen von Seume und von Platen näher zu beschäftigen.

    Eckhard Musch